Amtsniederlegung des leitenden Pfarrers

Brief von Markus Schürrer an die Gemeinden im Seelsorgebereich Main-Itz
Liebe Gemeindemitglieder, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Weggefährtinnen und Weggefährten,
es fällt mir nicht leicht, Ihnen und Euch diese Zeilen zu schreiben (ich bleibe der Einfachheit halber beim Euch), doch ich will es tun, damit ihr das, was in den kommenden Tagen geschehen wird, vielleicht ein wenig besser verstehen könnt.
Wenn Ihr diese Worte von mir lest, dann werde ich kein Leitender Pfarrer im Seelsorgebereich Main-Itz mehr sein und meinen Platz in Euren Gemeinden verlassen haben. Ich werde dann auch kein Priester mehr sein, sondern habe mich aus freien Stücken dazu entschieden, mein Amt niederzulegen und werde mich beruflich und örtlich neu orientieren.
Ich weiß, dass Euch diese Nachricht vollkommen unerwartet treffen und vermutlich schockieren wird. Danach wird die Frage nach dem Warum einen großen Raum einnehmen. Es wird manche Spekulationen und Gerüchte geben und mit Sicherheit manch nahelegende Antwort gesucht. Damit werde ich leben müssen. So, wie Ihr mich in all den Jahren kennengelernt habt, darf ich Euch versichern, dass ich mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht habe und die Antwort nicht so einfach ist, wie sie auf den ersten Blick aussehen mag. So plötzlich, kurzfristig und aus dem Nichts diese Nachricht für Euch kommt, so lange gärt dieser Prozess schon in mir und ringe ich bereits seit mehreren Jahren damit.
Es gibt nicht den einen Grund oder einen Hauptgrund, sondern mehrere, die dazu führen, dass ich über die vergangenen Jahre spüren musste, dass ich mein Amt nicht mehr so ausführen kann, wie ich es immer tun wollte. Es hat nichts mit Schuld zu tun und ich werde auch keine Vorwürfe gegen die Kirche, Menschen oder Situationen erheben. Die Kirche ist, wie sie ist, mit ihren Strukturen, Regeln und Sichtweisen.
Veränderungen umzusetzen liegt nicht an mir. Das einzige, das mir bleibt, ist, mir zu überlegen, ob ich innerhalb des gegebenen Rahmens meinen Dienst noch tun kann oder nicht. Leider habe ich die vergangenen Jahre feststellen müssen, dass ich es nicht mehr kann und will.
Die Gründe, die zu diesem Schritt geführt haben, sind für mich vielfältig: immer weniger Zeit für echte Seelsorge, immer mehr Verwaltungsarbeit (trotz eines herausragenden Verwaltungsleiters, ohne den dieser Schritt vermutlich bereits viel früher gekommen wäre und trotz engagierter Ehrenamtlicher in den Gemeinden), fehlende persönliche Beheimatung aufgrund der Fülle an Gemeinden und Aufgaben, eine tiefe, innere Einsamkeit trotz vieler Kontakte den ganzen Tag über, der Wunsch nach menschlicher Nähe, gesundheitliche Einschnitte, eigene Ansprüche an meinen Dienst und an mich selbst, zahlreiche Konflikte auf verschiedenen Ebenen, Kommunikationsstörungen, sowie persönliche Krisen haben dazu geführt, dass ich für mich keine andere Möglichkeit gesehen habe, als zu gehen. Mein Primizspruch lautete sinngemäß "Es ist die Ehre Gottes, wenn wir den armen Menschen zum Leben verhelfen". Ich wollte immer Seelsorger sein, da sein für die Menschen in Not. Das war mir am Ende leider kaum noch möglich. Ich werde niemals sagen, dass man diesen Dienst in dieser Kirche nicht mehr tun kann. Es gibt tolle Seelsorger, die es schaffen, in diesen großen Strukturen gut zu arbeiten und zu leben. Ich muss mir und Euch ehrlicherweise eingestehen - ich kann es nicht mehr.
Diesen doch sehr einschneidenden Schritt habe ich mir nicht leicht gemacht. Ich habe lange innerlich mit mir gerungen, habe mir Hilfe gesucht und immer wieder einen Neustart versucht. Gerade weil ich ein Mensch bin, der die Dinge, die er versprochen hat, zu 100% erfüllen will, muss ich mir eingestehen, dass ich das nicht mehr kann. Ich habe versucht, meinen Dienst über all die Jahre mit ganzem Herzen und mit ganzer Kraft zu tun, bis zum letzten Tag. Daher empfinde ich meinen Weg auch nicht als Scheitern, sondern als konsequenten Schritt und bin für Vieles in den beinahe 20 zurückliegenden Jahren Gott dankbar.
Dass ich nun quasi über Nacht aus Euren Gemeinden, aus dem Seelsorgebereich, dem Amt und auch den Pfarrhäusern aus Kemmern und Breitengüßbach verschwunden bin, werdet Ihr vermutlich nur schwer verstehen können.
Möglicherweise wird es euch enttäuschen, wütend und traurig machen, oder auch alles zusammen. Das kann ich verstehen. Ich hoffe allerdings, dass Ihr mein Vorgehen mit etwas Abstand vielleicht doch ein wenig nachvollziehen könnt. Verlangen kann ich es freilich nicht. Die Entscheidung, die ich getroffen habe, ist keine Entscheidung gegen Euch oder irgendjemand, es ist eine Entscheidung für einen anderen Weg und letztlich für mich. Es ist mir ohnehin schwer gefallen, Euch in den vergangenen Wochen zu begegnen, als mein Entschluss festgestanden war, nichts sagen zu können und so zu tun, als wäre alles normal. Vielleicht war das nicht ehrlich, anlügen wollte ich Euch allerdings nie. Ich habe aus der Tatsache, dass es mir nicht gut geht, keinen Hehl gemacht. An meinem Innersten konnte und wollte ich Euch natürlich nicht teilhaben lassen, weil nicht ich mit meinen Empfindungen im Mittelpunkt gestanden bin, sondern bis zuletzt mein Dienst, den ich bis zum letzten Tag gewissenhaft erfüllt habe. Was hätte ich auch schon sagen sollen? Es hätte für Euch und mich alles noch schwerer gemacht. Und einen richtigen Zeitpunkt, den gibt es für eine solche Sache ohnehin nicht.
Wenn ich nun gehe und mich auf diesem Weg bei Euch verabschiede, will ich mich bei Euch ein letztes Mal aufrichtig bedanken: für jeden Einsatz, jedes Entgegenkommen, jedes gute Wort und jedes Gebet in all den Jahren. Niemand hätte etwas anders, mehr oder besser machen können. Es bleibt am Ende trotz aller Umstände, die dazu geführt haben, mein ganz persönlicher Entschluss, den ich allein verantworte und der sich für mich richtig anfühlt. Ich habe lange überlegt, wie man sich in so einer Situation in geeigneter Weise verabschiedet und habe mich für diesen Brief entschieden. Ich weiß, dass es schwer ist, die gemeinsame, intensive Zeit ohne Begegnung zu beenden.
Doch ich bin der Überzeugung, hätten wir eine offizielle Verabschiedung gehalten, wäre es schwer für alle Beteiligten gewesen, irgendwelche passenden Worte zu finden. Auch möchte ich nicht, dass der Anlass mediale Aufmerksamkeit gewinnt und will alle Beteiligten schützen. Was soll man groß sagen, wenn ein Priester von sich aus sein Amt aufgibt. Für diejenigen unter Euch, die es möchten, werden sich Wege finden, in Kontakt zu bleiben. Vielleicht ist es mit etwas Abstand auch möglich, persönlich Näheres zu erklären und miteinander zu reden, wenn der Wunsch und die Zeit dafür da sind. Im Moment gilt es -für mich und für Euch-, sich zu sortieren und zu trauern.
Aus der Öffentlichkeit werde ich mich vollständig heraushalten und auch keine Interviews jedweder Art geben. Das war und ist nicht meine Art. Ich möchte versöhnt gehen und der Kirche, in der ich groß geworden bin und in der ich verwurzelt bleibe, nicht schaden. Wenn Zeit vergangen ist und wir uns eines Tages wieder einmal treffen werden, freue ich mich, wenn wir offen aufeinander zugehen können.
Ich danke aus ganzem Herzen ebenso dem Pastoralteam und dem Team der Verwaltung, in dem ich die vergangenen Jahre mitwirken durfte. Es tut mir leid, dass ich nun nicht mehr mitarbeiten kann und nun wieder mit einer Person weniger ausgekommen werden muss. Ich bitte Euch ganz herzlich, das Team in der kommenden schwierigen Zeit zu unterstützen, so gut es Euch irgendwie möglich ist. Ich bitte Euch auch weiterhin, verständnisvoll und engagiert in Euren Gemeinden mitzuarbeiten, aber auch den gesamten Seelsorgebereich im Blick zu behalten, denn ohne das Miteinander im Großen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit wird es künftig nicht mehr gehen. Ich will nicht leicht daher reden, aber Ihr werdet das miteinander schaffen, da bin ich mir bei diesem guten Team sicher. Und ich wünsche Euch, dass der Glaube in unseren Gemeinden wieder neu wachsen kann. Dem Team wünsche ich die Begeisterung und Freude für den Dienst, die mir die vergangenen Jahre selber leider immer weiter abhandengekommen sind.
Um Missverständnissen und Gerüchten vorzubeugen: Ich bleibe der Kirche trotz allem verbunden und vor allem dem Glauben, der mich seit meiner Kindheit prägt und begleitet.
Mein Weg führt mich nun in einen anderen Beruf, in die Offenheit für ein neues Leben und an einen anderen Ort, um mir und Euch den nötigen Abstand zu geben. Ich werde in meinem neuen Beruf aber weiterhin für Menschen da sein, wenn auch nicht im Rahmen der Kirche. Es wird mir, so ist meine große Hoffnung, wieder mehr möglich sein, mich um einzelne Menschen zu kümmern.
Ich bitte Euch um Verständnis, dass es mir nicht möglich war, manchen von Euch diese Dinge vorab persönlich zu sagen, selbst wenn ein großes Vertrauensverhältnis bestanden hat. Dazu war die Zeit am Ende zu knapp bemessen.
In den Jahren meines Dienstes habe ich immer wieder gerne Segen und andere religiöse Texte verfasst. Deshalb soll auch am Ende dieses letzten Grußes ein selbstgeschriebener Segen stehen, der alle unsere künftigen Wege unter Gottes Schutz stellt. Mit diesem Segen wünsche ich Euch allen von ganzem Herzen einen guten Weg in die Zukunft, Erfüllung und seinen Beistand zu jeder Zeit.
Gott segne dich auf dem Weg, der vor dir liegt,
er segne die Menschen, denen du begegnest und die mit dir gehen, er segne die, die dir wichtig sind
und auch die, denen du etwas bedeutest.
Gott segne das Anpacken und das Loslassen, das Gelingen und das Scheitern,
die Freude und den Ärger,
die Zeit der Anstrengung und der Entspannung.
Gott segne jede neue Idee, die dir in den Sinn kommt, und alles Bewährte, das dich trägt.
Er segne die Traurigkeit über das, was vorüber ist und die Vorfreude auf das, was kommen wird.
Gott segne das, was du schaffst,
aber auch das, was du nicht schaffen kannst,
er segne jeden Atemzug des Glücks und der Zufriedenheit. er segne dich, deine Lieben und dein Leben.
Auf ein Wiedersehen!
Ihr/Euer
Markus Schürrer