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Erstaunlich großer Teilerfolg

Dekan Pfarrer Christoph Uttenreuther
Datum:
Veröffentlicht: 12.9.22
Von:
Christoph Uttenreuther

Wie Pfarrer Christoph Uttenreuther die 4. Vollversammlung des Synodalen Weges erlebte.

Wie Pfarrer Christoph Uttenreuther die 4. Vollversammlung des Synodalen Weges vom 8. bis 10. September erlebte und was Mut macht.
Diskussionen auf dem Synodalen Weg

„Erstaunlich großer Teilerfolg“ möchte ich als Überschrift über die vierte Synodalversammlung setzen. Ich war vom 8. bis 10. September in Frankfurt und nahm daran teil.

Ganz bewusst stelle ich das Positive heraus. Negative Schlagzeilen über die Kirche gibt es genug, und Störfeuer beim Synodalen Weg bekommen mehr Aufmerksamkeit als sie verdienen.

Das Positive herausstellen

Ich bin erstaunt, dass die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe für das Grundlagenpapier Sexualmoral nur ganz knapp verfehlt wurde. Einige der Nein-Stimmer bekundeten hinterher auch noch, dass sie viele Anliegen mittragen könnten. Ich habe mich ohne Illusionen auf den synodalen Weg gemacht. Mir ist bewusst, dass es in der römisch-katholischen Kirche weltweit und im Episkopat Deutschlands sehr starke verharrende Kräfte gibt, die sich durch äußeren Druck nicht beugen lassen, sondern eher bestärkt fühlen. Darum fiel ich nach der Abstimmung am Donnerstag nicht aus allen Wolken.

Auch bin ich kein Vertreter der Fraktion „alles-oder-nichts“. Im Vorfeld setzte ich mich deshalb für mehr Bescheidenheit bei diesem Text ein. Die Kirche hat ihre Autorität auf dem Feld der Sexualmoral bei uns längst verspielt. Mit dem besten neuen Kompendium würden wir sie nicht zurückgewinnen. Für Gläubigen und alle kirchlich Aktiven genügt es, bisherige Verurteilungen zurück zu nehmen, Toleranz zu üben, die eigenen Kompetenzgrenzen einzugestehen und Lernbereitschaft zu signalisieren. Für den weltkirchlichen Diskussionsprozess aber ist Diplomatie nötig, bei aller Parteilichkeit für diskriminierte Menschen und bei aller Entschiedenheit in der Sache.

Mehrheiten bei Handlungspapieren macht Mut

Ich bin erfreut darüber, dass Handlungspapiere etwa zur Neubewertung der Homosexualität und zum Dienstrecht, sowie der Grundlagentext zum kirchlichen Amt für Frauen mit den erforderlichen Mehrheiten angenommen wurden. Manche Bischöfe, die dafür gekämpft haben, wie Kardinal Marx oder Bischof Overbeck, standen früher profiliert auf der anderen Seite. Sie haben sich durch die Begegnungen mit konkreten Menschen bekehrt. Das macht mir Mut.

Wir haben damit eine neue Situation in der katholischen Kirche Deutschlands: Es ist ganz offenkundig, dass der Ausschluss von Frauen von wichtigen Ämtern und die Katechismusmoral zur Sexualität von den Bischöfen nicht mehr mitgetragen werden. Ersteres schafft zumindest Raum für konkrete Schritte in Deutschland, die im Einzelnen noch beschlossen werden müssen. Letzteres hat ab sofort Auswirkungen auf die Rechtsprechung bei Arbeitsprozessen: Jede Klage von Arbeitnehmer*innen (hier ist das Gendersternchen angebracht), denen wegen einer „irregulären Beziehung“ gekündigt wurde, wird Erfolg haben, auch wenn manche Bistümer keine Änderung der Dienstordnung vornehmen. Das ist von uns auch so gewollt.

Auch das Negative nennen

Leider - nun komme ich zum Negativen - offenbart der Synodale Weg auch, wie stark die bischöfliche Macht in der katholischen Kirche ist und wie weit wir von einem wirklichen Korrektiv durch den Konsens der Gläubigen und durch die Theologische Forschung entfernt sind.

Es tut schon weh mitzuerleben, wie wenige Bischöfe, die sich nicht an der Diskussion beteiligen und auch nicht auf dem Stand der Diskussion sind, dennoch die gesamte Versammlung blockieren können, und wie sie sich dazu allein auf Autoritäten berufen.

Zum Verhalten dieser Männer möchte ich einen Vergleich bringen: Ein Mathelehrer stellt seiner Klasse eine komplizierte Rechenaufgabe. Die Schüler kommen zu einem Ergebnis, das er für falsch hält. Man darf nun von ihm erwarten, dass er gemeinsam mit den Schülern die Aufgabe nachrechnet, ihnen ihren Denkfehler beweist und sie von der richtigen Lösung überzeugt. Es genügt nicht, wenn er sagt: „Im Lehrerhandbuch steht ein anderes Ergebnis. Ich muss nicht wissen, wie man dazu kommt. Glaubt es und rechnet so lange, bis ihr zum selben Ergebnis kommt!“ Vielleicht kommen ja doch auch im Lehrerhandbuch Fehler vor. Natürlich sind dogmatische Schlüsse keine mathematischen Rechnungen. Aber vom Verhalten des Lehrers her ist der Vergleich angebracht.

Enttäuscht bin ich auch von unserem Erzbischof. Schon bei der dritten Vollversammlung war er nur kurz anwesend. Diesmal nahm er gar nicht teil. Ich erwarte von ihm eine Erklärung dazu.

Negativ erlebte ich bei der Versammlung auch die zum Teil emotional sehr aufgeheizte Stimmung.

Nach dem Verfehlen der bischöflichen Zweidrittelmehrheit am Donnerstag erlitten queere Mitglieder Nervenzusammenbrüche und verließen die Versammlung. Eine Rolle spielte dabei wohl auch, was in den sozialen Netzwerken von ultra-konservativer Seite als Shitstorm über sie hereinbrach. Da ich hier nicht unterwegs bin, nahm ich solches bisher nicht ernst genug.

Im Gegenzug wurde die moralische Keule gegen die Nein-Stimmer geschwungen, und die Wut gegen sie wurde greifbar. Das dient der weiteren Diskussion nicht.

In solchen Situationen fühle ich mich zwischen den Stühlen, auch wenn ich weiß, auf welcher Seite ich inhaltlich stehe.

Als die Synodalversammlung auf dem emotionalen Tiefpunkt war, spiele die Band, die unsere Gottesdienste musikalisch gestaltete, Psalm 22 „Mein Gott mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ in einer so beklemmenden Vertonung, dass ich den Raum gerne verlassen hätte.

Ist Gott für uns, wer kann dann gegen uns sein?

Mir ging hinterher eine andere Melodie durch den Kopf, und ich sang sie leise vor mich hin, „If god is for us, who can be against us“ aus Händels Messias: “Ist Gott für uns, wer kann dann gegen uns sein?“ Solches Vertrauen habe ich Gott-sei-Dank in der katholischen Kirche gelernt. Es ist das wichtigste ihrer Botschaft. Ich wünsche allen, die sich von der Kirche nicht genug anerkannt ungerecht behandelt oder diskriminiert fühlen diese feste Gewissheit, und die Kraft weiter auf dem Synodalen Weg zu bleiben.