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Gott schuf das Fragezeichen

Fragezeichen
Datum:
Veröffentlicht: 29.8.23
Von:
Markus Schürrer
Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis von Pfarrer Markus Schürrer

„Wer lebt, ohne zu fragen, lebt nicht wirklich.“ Der griechische Philosoph Platon wusste, dass Fragen zum Leben gehören.

Fragen sind auch ein wichtiger Teil unseres Glaubens. Jesus selber stellt immer wieder Fragen. Seinen Jüngern stellt er zwei. „Für wen halten die Menschen den Menschensohn?“ und „Für wen haltet ihr mich?“ Eine Antwort auf diese Frage ist schnell gegeben, das sehen wir an Petrus: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Aber es ist auch bei Petrus noch keine fertige, noch keine reife Antwort. Er spricht zwar schnell ein richtiges Bekenntnis aus, weiß aber gar nicht, was das bedeutet, was er da sagt. Denn zum Christus sein gehört eben nicht nur die Auferstehung, das Schöne, das Gute, das Tolle. Zu diesem Christus gehören auch das Leiden, das Kreuz und der Tod. Die eigentliche Antwort auf die Frage, für wen er Jesus hält, die kann Petrus erst viel später geben, wenn er all das erfahren hat.

Gerade in einer Zeit, in der die Kirche eher als Institution auf dem absteigenden Ast wahrgenommen wird. In der es Menschen manches Mal an Sinn und Orientierung fehlt, meinen wir es als Kirche gut und möchten den Menschen schnelle Antworten geben. Doch warum wollen die so wenige hören? Nur aus Bosheit? Nur weil Kirche ihnen egal ist? Sicher gibt es einen beträchtlichen Teil, dem die Kirche nichts mehr zu sagen hat. Andererseits ist es aber auch so, dass wir uns als Kirche fragen müssen, ob wir nicht manchmal auch Antworten auf Fragen geben, die die Menschen gar nicht stellen. Wir meinen, der Glaube wächst bei anderen Menschen dann besonders gut, wenn wir möglichst viel reden und Antworten geben, weil wir ja wissen wie das Leben geht.

Wenn man aber mal in das Neue Testament schaut, dann erzählt Jesus da nur 37 Gleichnisse, aber er stellt 220 Fragen. Einmal fragt er einen Blinden „Was soll ich dir tun?“ Ein anderes Mal fragt er seine Jünger: „Warum habt ihr solche Angst?“ Man könnte also doch sagen: Jesus führt die Menschen mehr durch Fragen als durch Antworten-geben zum Glauben.

Als Kirche und als Gemeinden merken wir, dass wir weniger werden. Deshalb ist auch immer wieder verstärkt die Rede davon, unser Glaube sollte missionarischer werden. Alle sollten mehr von ihrem Glauben reden, damit die Menschen zum Glauben finden. Das ist grundsätzlich natürlich nicht verkehrt, doch der Schritt vor dem Reden sind drei Fragen.

Die erste Frage sollten wir uns bei allem Tun selbst stellen. Worum geht es uns – und zwar ehrlich? Geht es uns darum, dass Menschen einfach nur mit der frohen Botschaft in Berührung kommen und ihr Leben so zuversichtlicher und hoffnungsvoller werden kann? Ist unsere Verkündigung also frei von einem Eigennutz? Oder geht es am Ende dann doch darum, dass die Kirchenbänke wieder voll werden, damit wir uns besser fühlen. Also fragen wir uns selbst immer wieder ehrlich: wie zweckfrei ist unser Tun und unser Reden?

Die zweite Frage richtet sich an die Menschen, denen wir vom Glauben erzählen möchten. Wie wir an Jesus sehen, hat er die Menschen zunächst einmal gefragt. Wie es ihnen geht. Was sie brauchen. Was sie suchen. Er hat sie nicht mit fertigen Antworten zugetextet, sondern durch sein Fragen mitgenommen auf seinem Weg der ehrlichen Gottsuche. Oft hat er erst in einem zweiten Schritt Antworten gegeben, manchmal hat er auch gar nicht geantwortet, sondern einfach gehandelt. Mir kommt es vor, als würden wir als Kirche oft zu schnell Antwort geben und zu wenig fragen und hören. Zum Fragen und Hören gehört ein Stück gutes Stück Demut. Dass ich mich zurücknehme, weil in einem jeden Menschen, so fremd er mir auch ist, eine Spur Gottes zu finden ist. Die finde ich aber nicht, wenn ich auf dem Thron meiner Überzeugungen sitzen bleibe und Weisheiten verkünde, sondern nur wenn ich mich zum Menschen hinbewege, frage und höre. So, wie es der französische Dichter Paul Claudel auf den Punkt gebracht hat „Rede nur wenn du gefragt wirst, aber lebe so, dass man dich fragt!“

Zuletzt gehört zu jedem Fragen auch das Risiko, dass die Antwort ausbleibt. Die letzte Frage in seinem Leben stellt Jesus am Kreuz „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Eine Antwort erhält er in diesem Augenblick nicht. Es gibt auch in unserem Leben schwierige Situationen, da bekommen wir auf unsere Fragen keine schnellen Antworten. Da gilt es, auszuhalten. Durchzustehen. Wer auf die großen Fragen seines Lebens nicht gleich eine Antwort aus dem Glauben parat hat, glaubt deshalb nicht schlechter und ist auch kein schlechterer Christ. Im Gegenteil. Ein jüdisches Sprichwort sagt: „Am Anfang schuf Gott das Fragezeichen und legte es dem Menschen ins Herz!“ Wir können Gott nicht immer begreifen. Aber, wenn er -wie alles andere auch- das Fragezeichen geschaffen hat, hilft es vielleicht manchmal schon, wenn ich ihn immer und immer wieder mit meinen Fragen angehen darf. Um am Ende zumindest sagen zu können: auch, wenn ich ihn gerade nicht verstehe und keine Antwort bekomme – er ist da. Amen.