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Vatertag ist kein Feiertag - oder doch?

Baum im Sonnenuntergang
Datum:
Veröffentlicht: 27.5.22
Von:
Philipp Fischer

Predigt von Pastoralreferent Philipp Fischer zu Christi Himmelfahrt

Liebe Schwestern und Brüder,

stellen Sie sich vor, Sie werden gefragt, warum heute Feiertag ist. Sie gehören wohl zu dem erlesenen Kreis, der weiß, dass der Feiertag nicht Vatertag heißt, sondern Christi Himmelfahrt. Also: Was feiern wir an Christi Himmelfahrt? Wie können wir es jemandem erklären, der die Kirchenluft nicht so gut verträgt wie wir? Wenn Sie diese Fragen nachvollziehen können, wissen Sie genau, was mich umtrieb, als ich diese Predigt schreiben sollte. Weil ich der Meinung bin, dass wir als Kirche Frohe Botschaft und Leben verknüpfen sollen, will ich auch diese beiden Schritte versuchen.

1. Himmelfahrt!? „Himmel auf Erden“!?

Das Wort beinhaltet die Nomen „Himmel“ und „Fahrt“.

Vielleicht werden wir ein bisschen schräg angeguckt. Mancher würde antworten: Wohin soll ich fahren? Ach, Jesus ist wohin ge-fahren! Der hatte doch gar kein ein Auto? Ach in den Himmel ist er gefahren. Auf einer Wolke, oder wie? Na das war sicher wieder irgendein Hokuspokus oder eine eurer Märchengeschichten.

Zugegeben: Das ist provokant und überspitzt. Aber wenn wir in die Welt und zu den Menschen schauen, dann mag man vermuten, dass der Himmel in diesem Sinne in der heutigen Gesellschaft kaum mehr Bedeutung findet. Beispiel Vatertag statt Christi Himmelfahrt.

Den ursprünglichen, biblischen Sinn kennen immer weniger: Jesus erreichte mit seiner Heimkunft zu Gott, der Himmelfahrt, die Vollendung. Er lebt bei und mit Gott im Reich der Liebe und des Friedens, im Himmel. Er verspricht uns, am Ende unserer Tage auch dort zu sein.

Wie gesagt: Das spielt für viele kaum eine Rolle. An ein Leben nach dem Tod zu denken? Auf bessere Zeiten bei Gott – wenn‘s den überhaupt gibt. Nein! Eher wird versucht, sich den „Himmel auf Erden“ zu schaffen.

„Himmel auf Erden“ kann bedeuten, das Leben so gut wie möglich zu genießen, einen hohen Lebens-standard zu besitzen, Wohlstand, Fitness, gute Ernährung, hohes Alter in Wohlergehen. Leben und nicht sterben müssen. Nicht krank sein oder leidend. Zu vielen guten Menschen Kontakt haben, Feiern, Interessantes erleben, geliebt werden, zufrieden sein. Alle Ziele, Wünsche, Erwartungen, alles hier und nicht erst im Jenseits erfüllen – manchmal ohne Rücksicht auf Verluste und andere.

„Himmel auf Erden“: Und was ist das für Sie?...

Also „Himmel auf Erden“, nicht im Himmel? Was sagt Jesus dazu?

2. Lukas erzählt von einem Himmel

Gerade hörten wir vom Evangelist Lukas aus der Apostelgeschichte. Die Jünger wollen auch einen „Himmel auf Erden“, nämlich die Lösung ihrer Probleme im „Hier und Jetzt“. Sie fragen: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ Da klingt die Hoffnung an, dass die Unterdrückung durch die Römer aufhört, die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen willkürlichen Herren und un-terdrückten Dienern, die Verfolgung des Glaubens wegen – ja, dass das Ungelöste gelöst wird.

Jesus lässt die Apostel darüber im Unklaren und weist sie zurecht: Es stehe ihnen nicht zu, die Fristen und Zeiten Gottes zu kennen. Aber Jesus verspricht etwas: die Sendung des Heiligen Geistes. Gottes Geist wird ihnen Kraft geben, für Ihn, Gott, Zeugnis abzulegen an allen Enden der Erde. Der Geist Got-tes lässt nicht lange auf sich warten – wir feiern es an Pfingsten – und bald kann das Verkündigungs-werk beginnen.

Hier verknüpft sich das Bild, das Jesus vom Himmel hat: Himmel ist für ihn kein konkreter Ort.

  • Himmel geschieht, Himmel ereignet sich immer dann und immer da, wo ich mich vertrauensvoll fallen lasse in Gott; wo ich so eng verbunden mit Gott lebe, dass kein Platz ist für Misstrauen, Zweifel, Neid, Eifersucht, Lieblosigkeit, Egoismus, Angst, Sorge. Wo die Liebe regiert.
  • Himmel ist da, wo ich nicht mehr frage, ob ich nicht zu kurz komme; wo ich spüre, dass für mich gesorgt ist; wo ich frei werde von der Sorge um mich selbst und sehe, was Andere brauchen; wo ich aus dieser Fülle heraus teilen kann, so dass es für alle reicht.
  • Himmel ist da, wo ich „himmlisch“ für andere bin, für alle die, die sonst nicht gerade den „Himmel auf Erden“ haben: Kranke, Arme, sozial Geächtete, Außenseiter, Fehlermacher. Wo ich Gott-Vater wirklich werden lasse.

„Himmel auf Erden“ – also auch bei Jesus.

3. „Himmel auf Erden“ für uns

Was heißt das nun für uns? Ich möchte Ihnen – mal wieder – eine Geschichte erzählen:

Von einem jüdischen Lehrer, einem Rabbi, ging die Sage um, dass er jeden Morgen vor dem Frühgebet zum Himmel aufsteige. Ein Gegner lachte darüber und legte sich vor Morgengrauen auf die Lauer.

Da sah er, wie der Rabbi als Holzknecht verkleidet sein Haus verließ und in den Wald ging. Der Gegner folgte von weitem. Er sah den Rabbi Holz fällen und in Stücke hacken. Dann lud er sich die Holzstücke auf den Rücken und schleppte sie in das Haus einer armen, kranken, alten Frau. Der Gegner schaute durch das Fenster, und sah den Rabbi auf dem Boden knien und den Ofen anzünden.

Als die Leute später den Gegner fragten, was es nun auf sich habe mit der täglichen Himmelfahrt des Rabbi, sagte er: „Er steigt noch höher als bis zum Himmel."

Eine etwas andere Himmelfahrt – für den Rabbi, der sich ganz klein macht; für die alte Frau, die Wärme und Liebe spürt; für den Gegner, dem die Augen geöffnet werden. Für sie alle wird eine „Himmelfahrt“ zu einem „Himmel auf Erden“.

Denken Sie daran, was für Sie der „Himmel auf Erden“ ist. Und schauen Sie mal, was der „Himmel auf Erden“ für die ist, die Ihnen wichtig sind. Oder für den alten, einsamen Mann ein paar Häuser weiter. Oder für das kleine Mädchen, das mit ihrer Mutter gerade aus der Ukraine angekommen ist und nichts hat und keinen kennt. Oder für die Pflegekräfte, Erzieher und Lehrer, die an der Grenze der Erschöpfung arbeiten. Oder für den Firmling, der auf der Suche nach Antworten auf die Fragen des Lebens ist. Oder für das kleine Kind, das noch gar nicht weiß, dass Gott es liebt, weil es ihm keiner erzählt.

Das Fest Christi Himmelfahrt will uns verwandeln, wie den Gegner in der Geschichte. Jesus ist der Weg dazu. Der gute Geist Gottes hilft. Er leitet uns, wenn wir auf ihn vertrauen. Wo wir selbstlos für andere da sind, wirkt der Heilige Geist in uns. So wird Unmögliches möglich. Dann wird schon hier unter uns ein Stück „Himmel auf Erden“. So werden wir zu einem Mitarbeiter von Gott-Vater. Also doch: Vatertag. Amen