Verloren und wiedergefunden – was ist deine Geschichte?

Impuls von Pastoralreferent Philipp Fischer

Liebe Schwestern und Brüder,
ich bitte Sie, für die Zeit der Predigt aufs „Du“ zu wechseln zu dürfen, weil es persönlich wird und es ja ums Geschichtenerzählen gehen soll.
Ich möchte dir eine Frage stellen und würde mich freuen, wenn du mir eine Antwort in die Stille rufst. Trau dich!
Was hast du mal verloren?
- Telefon oder Geldbeutel, Familienfoto oder Ehering, einen lieben Menschen oder das kindliche Staunen über die Wunder der Welt und Natur?
- Je nachdem: Manche Gegenstände, Erinnerungen oder Erlebnisse haben unterschiedlichen Wert. Telefon oder Geldbeutel sind leicht zu ersetzen – auch wenn’s ärgerlich ist und viel Rennerei zu Läden und Behörden bedeutet. Schlimmer ist es, wenn man etwas verliert, das mit persönlichen Erinnerungen verbunden ist. Oder einen lieben Menschen – sei es wegen Wegzug, wegen Streit oder weil er oder sie stirbt.
Noch eine Frage: Hast du schon einmal etwas Verlorenes wiedergefunden? Oder jemandem etwas wiedergegeben, das er oder sie verloren hat? Und wie hast du dich dabei gefühlt?
Ihr habt gerade von vielen wunderbaren Freudenmomenten erzählt. Davon, dass ihr große Freude verspürt habt, als ihr etwas Verlorenes wiedergefunden habt.
Davon erzählen auch Lesung und Evangelium:
- Im Buch Exodus hören wir, wie Mose die Zehn Gebote erhält – den Vertrag, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Mose ist 40 Tage und 40 Nächte auf dem Berg Sinai ganz innig bei und mit Gott. Das dauert dem Volk Israel zu lange. Sie brechen den Vertrag und wenden sich von Gott ab und anderen Götzen zu: Geld und Gold. Gott schimpft, zürnt, tobt. Gott will nicht dulden, dass sein Volk das goldene Kalb anbetet. Mose versucht, Gott zu besänftigen. Gott hört auf ihn, wie er einst auf die Fürbitte Abrahams gehört hat, und vergibt dem Volk seine Sünde.
Gottes vergebende Liebe wird deutlich. Das Volk Israel hat Gott verloren und den Bezug zu ihm. Und es hat ihn wiedergefunden, weil Gott ihm vergeben hat. Wie sehr müssen sie sich gefreut haben?
- Im Evangelium hat Jesus gleich drei Geschichten übers Verlieren und Wiederfinden parat, von denen wir zwei in der Kurzfassung gehört haben: Jesus hält mit Zöllnern und Sündern Tischgemeinschaft – ein Sandal für die Pharisäer und Schriftgelehrten. Deshalb erzählt er drei Gleichnisse von bzw. über Gott: Hundert Schafe: eines verloren und wiedergefunden vom guten Hirten; zehn Drachmen: eine verloren und wiedergefunden von der Frau; zwei Söhne – und einer verloren und wiedergefunden vom barmherzigen Vater. Wie sehr müssen sie sich gefreut haben?
Im Kern geht es bei allen Geschichten um Gottes verzeihende Liebe und ums Tun eines jeden: Jesus sagt im Lukasevangelium (15,7) „Ebenso wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben.“ Gott verzeiht, wenn du merkst, dass du etwas falsch gemacht hast, wenn du merkst, dass du die Liebe zu ihm verloren hast. Aber du musst dich aufraffen und es Gott erzählen, wie Mose, der sich auch aufrafft und mit Gott spricht (Ex 32,13).
Liebe Schwestern und Brüder,
ich komme auf unsere Fragen eingangs zurück: Was hast du mal verloren? Hast du schon einmal etwas Verlorenes wiedergefunden? Oder jemandem etwas wiedergegeben, das er oder sie verloren hat? Wie hast du dich dabei gefühlt? Und ich möchte die Botschaft Jesu auf unser Leben übertragen.
Dazu eine Geschichte von mir:
Dreieinhalb Wochen war ich mit meiner Freundin im Urlaub im Süden und Westen der USA auf einem Roadtrip mit Camping und Lagerfeuer, mit über 6000 km durchs Land und in Nationalparks. Wir haben viele wunderbare Menschen getroffen, hatten schöne Begegnungen, haben Beeindruckendes gesehen. Zu einem Pärchen haben wir noch Kontakt – und das ist das Schöne, wenn man sich zufällig trifft und auf Anhieb versteht. Wenn man diese unglaublichen Naturphänomene sieht und keine 100 Meilen weiter das nächste, dann muss man einfach gläubig werden – so wie es viele in den USA sind.
Als Filmfan wie ich es bin mussten wir natürlich doch mal in Städte, vor allen nach Hollywood und ein Filmstudio besichtigen. Wir waren im Paramount-Filmstudio – das sind die, die im Vorspann immer den Berg zeigen und ihren Schriftzug drum herum. Im Empfangssaal von Paramount steht in fetten silbernen Lettern auf schwarzem Grund das Zitat von Cecil B. DeMille: „The greatest art in the world is the art of storytelling“ – „Die größte Kunst auf der Welt ist die Kunst des Geschichtenerzählens.“
Jesus erzählt uns Geschichten von der verzeihenden Liebe Gottes. Gott verzeiht, wenn ist merke, dass ich etwas falsch gemacht habe, wenn ich merke, dass ich die Liebe zu ihm verloren habe.
Jeder von uns erzählt Geschichten. Mal nüchtern und sachlich, mal emotional und begeisternd.
Ich möchte heute zum Geschichtenerzählen motivieren:
- Was ist deine Geschichte mit Gott? Was hast du verloren? Hast du auch den Kontakt zu Gott verloren? Erzähle es ihm! Nimm dir Zeit dafür – in Stille, wo du gut bei dir sein kannst, auf dem Balkon, im Garten, im Wald, in der Kirche, oder anderswo.
- Was ist deine Geschichte deines Lebens? Was hast du verloren und wiedergefunden? Erinnerungen? Gegenstände? Beziehungen? Wenn du heute noch einem lieben Menschen begegnest, sag, dass du heute in der Kirche warst und diesen Gedanken mitbekommen hast. Erzähle ihm oder ihr eine Geschichte von dir. Sei gespannt, wie du dich dabei fühlst. Sie gespannt, auf seine oder ihre Reaktion.
„Die größte Kunst auf der Welt ist die Kunst des Geschichtenerzählens.“ Und wir dürfen wissen, dass Gott an unserer Lebensgeschichte mitschreiben will, selbst dann, wenn wir ihn oder uns glauben, verloren zu haben. Und das zu finden, ist doch ein echt filmreif!
