Vom ersten Osterei und dem großen "Trotzdem"

Predigt zu Ostern von Pfarrer Christoph Uttenreuther
Zu Ostern gehört das Osterei. Doch was hat das Ei mit Ostern zu tun?
Kennen Sie die Legende vom ersten Osterei? Ich will sie kurz erzählen:
Hauptfigur ist Katharina, eine junge gescheite Christin, die im 4. Jahrhundert in Alexandrien gelebt haben soll und als Heilige verehrt wird. Sie sollte dem römischen Kaiser Maxentius den christlichen Glauben erklären. Der Kaiser war Heide. Solange Katharina über Jesus erzählte, seine Menschlichkeit und seine Botschaft von Gottes Güte, hörte der Kaiser interessiert zu. Aber als sie von seinem Tod und seiner Auferstehung sprach, da unterbrach er sie. Er lachte laut und spöttisch auf: „Er ist von den Toten auferstanden? Nein, das glaube ich nicht. Das musst du mir beweisen. Tot ist tot! Bring mir einen Stein, und dein Gott soll ihn lebendig machen.“ Mit diesen Worten schickte er sie fort. Katharina ging nachdenklich am Nil spazieren. Da sah sie eine Ente, die auf ihren Eiern saß. Sie nahm ein Ei und brachte es zum Kaiser. Ein leises Picken war zu hören. Fasziniert schauten beide auf das Ei und siehe, die Schale bekam Risse und ein Küken schlüpfte. „Scheinbar tot!“ sagte Katharina. „und doch es ist lebendig – Gott kann Totes zum Leben erwecken“.
Was sagt uns diese Legende?
Die Auferstehung Jesu kann man nicht beweisen. Katharina hat mit dem Osterei keinen Beweis dafür geliefert. Doch sie hat sich nicht nur gewitzt aus der Affäre gezogen. Das Osterei der Katharina ist ein Hinweis: Mach deine Augen auf für die Schönheit der Schöpfung und für das Wunder des Lebens. Das ist doch alles andere als selbstverständlich. Es ist ein Geheimnis. Das Leben bleibt ein Geheimnis, selbst wenn wir es wissenschaftlich erforschen und Gesetzmäßigkeiten in der Natur entdecken. Und wenn hinter diesem Geheimnis eine gute Macht steht, - ein Du, - ein Gott, - dann dürfen wir ihr zutrauen, dass sie das Wunder des Lebens immer neu schaffen kann. Dann dürfen wir ihr zutrauen, dass sie auch Tote auferwecken kann.
Die Legende hat kein Happy-End. Der Kaiser wird nicht bekehrt. Denn einen Beweis konnte Katharina ja nicht liefern, - nur einen Hinweis – eine Einladung zum Glauben.
Gibt es andererseits nicht auch viele Hinweise für das Gegenteil? Hinweise, dass das Leben eben doch absurd ist und sinnlos, Erfahrungen, die einem naiv-optimistischen Glauben an den lieben Gott total widersprechen?
Im Evangelischen Gesangbuch steht ein Osterlied, in dem skeptische Töne und Zweifel mitschwingen. Heuer, Ostern 2022, liegt es uns vielleicht näher als traditionell-katholischer österlicher Triumpfgesang. Das Lied hat Friedrich Hofmann 1985 gedichtet und es lautet so:
Ich hör die Botschaft: Jesus lebt!
Doch seh ich nur: Die Welt erbebt,
weil Krankheit herrscht und Tod und Krieg.
Wo find ich Jesu Ostersieg?
Herr, steh mir bei!
Ich hör die Botschaft: Jesus lebt!
Ob dem nicht alles widerstrebt,
was täglich unsre Welt bedroht:
der Bosheit, Trug, Gewalt und Not?
Herr, steh mir bei!
Ich hör die Botschaft: Jesus lebt!
Herr, hilf, dass sich mein Herz erhebt
aus Kummer, Zweifel, Angst und Leid!
Mach es für deinen Trost bereit!
Herr, steh mir bei!
Ich hör die Botschaft: Jesus lebt!
Ihr Boten, die ihr Hoffnung gebt,
führt mich zum Auferstandnen hin,
dass ich bei ihm geborgen bin!
Herr, steh mir bei!
Das Lied nennt beim Namen, was viele Menschen am Osterglauben hindert:
Krankheit, Tod und Krieg, Bosheit, Trug, Gewalt und Not. Aber die Klage darüber wird zu einer Frage und Suche zu einer Bitte, ja zu einem Gebet:
Wo find ich Jesu Ostersieg? Herr, steh mir bei! Hilf, dass sich mein Herz erhebt!
Leiden kann zum Unglauben führen. Aber es kann uns auch für den Trost öffnen und zu einem tieferen Glauben an den Auferstanden führen:
Denn Ostern – so macht uns dieses Lied bewusst, - ist ja nicht nur ein lebensfrohes Frühlingsfest mit Osterei und Osterhase für Menschen, denen es gut geht und an nichts fehlt. Wir feiern auch nicht nur die Unsterblichkeit der Seele und singen nicht nur „Einmal sehen wir uns wieder“.
Nein: Ostern feiern wir, dass ein Gekreuzigter auferweckt wurde: Einer, der an Nächstenliebe, Verzeihung und Gerechtigkeit geglaubt hat, und sich dafür eingesetzt hat, aber dafür Bosheit und Gewalt, Not und Tod erlitten hat.
Wir glauben: Gott seht auf seiner Seite. Er lässt ihn im Tod nicht untergehen. Er gibt Jesus Recht.
Wo finde ich Jesu Ostersieg? Fragt das Lied. Gehen wir dieser Frage nach:
Wo finde ich ihn? Was führt mich zum Auferstanden:
Wenn ich Not sehe und spüre: Hier muss ich helfen.
Wenn ich auf Hilfsbereitschaft meiner Mitmenschen in der Not treffe.
Und wenn wir erfahren: Der Herr steht uns hier bei. Er gibt uns Kraft.
Wenn ich Ungerechtigkeit sehe und zutiefst überzeugt bin: So darf es nicht sein.
Wenn wir spüren, dass die Stimme, die in meinem Herzen dagegen protestiert, Gottes Stimme ist. Wenn mir diese Gewissheit geschenkt wird.
Ostern feiern wir das große „Trotzdem“:
Wir glauben an Nächstenliebe – gegen allen Hass in der Welt und im eigenen Herzen.
Wir suchen einen Sinn des Lebens – gegen die Erfahrung von Leere.
Wir hoffen auf Gerechtigkeit – obwohl sich der Skrupellose oft durchsetzt
und obwohl wir uns allzu gerne selbst rechtfertigen und die Dinge so hindrehen wie sie uns passen.
Wir spüren einen absoluten moralischen Anspruch – obwohl alles vergeht.
Wir glauben an das Gute, obwohl das Böse mächtig ist.
Wie mächtig, das sehen wir derzeit am Ukarinekrieg.
Ich hatte mit solchem nicht gerechnet, und er macht mir Angst.
Der Friede ist doch eine Win-win-Situation, so denke ich. Der Krieg bringt Verlust für alle.
Ich dachte, bei starker gegenseitiger wirtschaftlicher Abhängigkeit wäre niemand so verrückt, einen solchen sinnlosen Krieg anzufangen.
Habe ich die Vernunft des Menschen überschätzt und das Böse doch unterschätzt?
Doch was ist das Böse? Den Größenwahn des Menschen, der maßlos nach Macht strebt und selbst Gott spielen will? Der Egoismus, der jetzt schon haben will, was uns erst für die Ewigkeit versprochen ist?
Da zeigt mir das Böse: Wir brauchen Erlösung! Herr, steh uns bei!
Wir feiern Ostern das große „Trotzdem“. Wir glauben an Nächstenliebe, an Gerechtigkeit, an den Sinn des Lebens, - allem Gegenteiligen zum Trotz.
Denn wir glauben: das Leben ist ein Wunder und ein wertvolles Geschenk.
Wir dürfen der Macht dessen trauen, der dieses Wunder geschaffen hat,
der Macht dessen, der Nächstenliebe und Gerechtigkeitssinn in uns gelegt hat,
der Macht dessen, der Jesus nicht im Tod gelassen hat.
Das Osterei der heiligen Katharina ist Symbol dafür: Scheinbar tot – und doch ist es lebendig. Gott kann Tote zum Leben erwecken.