Zum Inhalt springen

Von Maria Magdalena, Unkraut und Weizen

Weizen
Datum:
Veröffentlicht: 23.7.23
Von:
Markus Schürrer
Predigt von SBR-Vorsitzenden Maria Schmidt am Sonntag der Frauenpredigt

Der Diözesanrat Bamberg hat am Wochenende 22./23. Juli um das Fest der Heiligen Maria Magdalena zu Predigten von Frauen im Eucharistiefeiern und anderen Gottesdienstformen aufgerufen.

Wir haben uns in unserem Seelsorgebereich kritisch mit diesem Aufruf auseinandergesetzt, da wir durch diesen Aufruf eher einen Rückschritt sehen, weil Frauen bereits in vielen Bereichen der Verkündigung tätig sind. Die gelebte Praxis ist schon lange eine andere. Weiterhin sehen wir die Predigt als Ermutigung und Auslegung des Evangeliums, nicht als "Kampfmittel" an.

Letzten Endes haben wir uns dennoch dazu entschieden, um auch andere Menschen, Frauen wie Männer, zum Glaubenszeugnis im Gottesdienst und im Alltag zu ermutigen. 

In der Eucharistiefeier am Sonntag, den 23. Juli in Unterhaid hat somit die Vorsitzende unseres Seelsorgebereichrates, Frau Maria Schmidt, die Predigt in Form eines Interviews durch Pfarrer Schürrer übernommen.

Hier bzw. im Anhang als pdf können Sie die Predigt nachlesen.

Schürrer: Gestern haben wir das Fest der Heiligen Maria Magdalena gefeiert. Sie gilt ja als eine der, wenn nicht als die erste Frau in der Nachfolge von Jesus. Weil sie so eine Bedeutung hat, war das der Anlass, dass in unserem Bistum an diesem Wochenende Frauen in den Gottesdiensten predigen sollen. Im Evangelium vom Fest der Heiligen Maria Magdalena haben wir die bekannte Erzählung gehört, wie sie Jesus nach seiner Auferstehung im Garten begegnet. Was bewegt sie an dieser Geschichte der Maria Magdalena?

Schmidt: Das Evangelium zum Festtag der Maria Magdalena hat an einer für mich relevanten Stelle gegenüber der biblischen Erzählung leider eine Auslassung. Die Verse 3-10 beschreiben, wie Petrus und „der Jünger, den Jesus liebte“ das leere Grab betrachten und wie sie anschließend reagieren. Scheinbar überfordert von der vorgefundenen Situation, wissen sie nicht anders zu handeln, als nach Hause zu gehen. Maria hingegen bleibt noch am Grab. Vielleicht spürt sie die Nähe Jesu? Jede*r der / die schon einmal getrauert hat, kennt vermutlich das Gefühl den Verstorbenen an ihrem Grab irgendwie nah sein zu können. Warum auch immer sie tatsächlich bleibt, sie tut dies offen, gesprächsbereit und bereit zu handeln. Als sich ihr Jesus schließlich zu erkennen gibt, zögert sie nicht, seinem Auftrag, den Jüngern von Jesu Auferstehung zu berichten, zu folgen. Johannes erzählt in keiner Weise, dass sie überlegt, ob man ihr glauben würde oder wie sie ihren Auftrag umsetzen könnte. Im Vertrauen auf Jesus geht Maria los. Auch, wenn alle Evangelisten diese Erzählung unterschiedlich ausführen, gibt es zumindest bei Lk und Mt die Ähnlichkeiten, dass Maria im Vertrauen auf Jesus ohne zu zögern handelt.

Schürrer: Jetzt haben wir aber heute nicht das Evangelium Maria Magdalena gehört, sondern vom Senf und vom Sauerteig. Sehen Sie da irgendeinen Zusammenhang?

Schmidt: Maria Magdalena trägt ihren Teil dazu bei, dass sich die Frohe Botschaft ausbreitet wie Senf nach der Aussaat und dass sie aufgeht wie ein Sauerteig. Als Frau bewundere ich dieses Handeln sehr. Entgegen allem Gewohntem und der damals üblichen Rolle der Frau in der Gesellschaft geht Maria den Weg, den Jesus ihr weist. Aber nicht nur in den Erzählungen um die Auferstehung sticht das Verhalten von Maria und der anderen Frauen für mich hervor. Sie bleiben Jesus selbst am Kreuz noch nahe. Und was mag es für Frauen damaliger Zeit bedeutet haben, ihr Zuhause und ihre Familien zu verlassen, um einem Wanderprediger zu folgen? Sie haben sich entschieden, nicht dem üblichen Weg in die Ehe zu folgen und haben zudem ihr Elternhaus verlassen. Damit haben sie alles aufgegeben, was Frauen Sicherheit und Versorgung geboten hat. Welch unglaublich großes Vertrauen müssen Maria von Magdala und die anderen Frauen gehabt haben! Welch große Hoffnung muss sie getragen haben! Und trotz der vermeintlichen Niederlage Jesu am Kreuz geben sie nicht auf oder flüchten. Sie suchen am Grab die Nähe ihres Herrn. Für mich Zeichen von großer Liebe und tiefer Treue. Diese Frauen waren „Trägerinnen der Frohen Botschaft“.

Schürrer: Könnte das nicht auch ein interessanter Hinweis sein, vielleicht auch für unseren Alltag? Wie Maria Magdalena nicht aufzugeben und auf das Gute zu vertrauen. Oder wie der Gutsherr das Unkraut auch einmal wachsen zu lassen?

Schmidt: Der Weg des Gutsherrn ist ja für seine Arbeiter neu und ungewohnt. Er fordert sie auf, anders zu handeln, als sie es bisher immer getan haben. Das verlangt großes Vertrauen. Wenn ich der Überzeugung bin, zu wissen, wie ich mit einer Problemsituation aus meiner Erfahrung heraus umzugehen habe, ist es eine große Herausforderung, neue Gedanken zuzulassen. Ich gebe schließlich Verantwortung ab, wenn ich nicht selbst beurteile, was als gut oder böse gilt sondern mich dabei auf das Urteil eines Anderen verlasse.

Schürrer: Neue Wege zulassen braucht also Vertrauen in einen anderen, dass diese Wege gut werden können?

Schmidt: Ja. Gutes werden zu lassen, ihm Raum zur Entwicklung zu geben, fordert neben Geduld auch Vertrauen und manchmal die Bereitschaft, entgegen Gewohntem zu handeln. Eine zu frühe Beurteilung davon, was nach persönlichen Maßstäben als gut oder böse gilt, birgt immer das Risiko, Gutes durch vorschnelles Handeln mit dem vermeintlich Schlechtem zusammen „auszumerzen“.

Das lässt sich aus meiner Sicht auch auf die aktuelle Situation der (Welt-)Kirche übertragen: wenn neue Ideen, neue Wege von vornherein als mögliches Unkraut ausgerissen werden, läuft die Kirche auch Gefahr, den bereits gut wachsenden Weizen zu verlieren. Unreflektierte Radikalkuren schwächen eigene Ideale und stärken „den Gegner“.

Schürrer: Wer Ohren hat, der höre! So schließt Jesus ja manche Gleichnisse im Blick auf das Reich Gottes ab. Das Reich Gottes braucht ja auch Geduld, bis es von den Ohren in den Verstand und vor allem ins Herz kommt. Was meinen Sie, warum er immer wieder diese Worte wählt?

Schmidt: Auf den ersten Blick ist es vielleicht vor allem eine Verstärkung / Vertiefung des jeweiligen Gleichnisses. Wie eine Aussaat und ein Teig Zeit zum Werden brauchen, braucht es auch das Reich Gottes. Und aus kleinem Unscheinbarem kann etwas überwältigend Großes entstehen. Selbst, wenn es wie der Sauerteig von einer unglaublich großen Menge Mehl vorerst verdeckt ist (drei Sea Mehl sind an die 36 Kilo…). Allerdings haben die Jünger durch die Auslegung des Gleichnisses jetzt auch einen Wissens-Vorsprung gegenüber den anderen Zuhörern. Wenn sie Jesus wirklich zuhören, verstehen sie mehr; ihnen wird Wissen offenbart, dass (noch) nicht jedem zusteht. Damit stehen sie in der Verantwortung, ihren Teil zur Ausbreitung des Reiches Gottes beizutragen. Wie Sauerteig die große Menge Mehl zu durchsäuern. Das Reich wie ein ausgesätes Korn zu pflegen und für dessen Wachstum und Ausbreitung zu sorgen. Mit Geduld dem Beispiel Jesu zu folgen und das Richten über Gut und Böse vertrauensvoll Gott zu überlassen.

Schürrer: Noch eine letzte Frage, die vielleicht manche beschäftigt. Jesus fordert ja immer wieder von Menschen, dass sie hier und jetzt in dieser Welt schon gerecht handeln. Warum aber bekommen diese Gerechten ihren Lohn erst ganz am Ende im Reich Gottes?

Schmidt: Wenn Jesus den Jüngern gegenüber das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen auslegt, mag es erschrecken, dass „die Gerechten“ ihren Lohn erst am letzten Ende erhalten. Müssen Menschen, die ein gutes Leben geführt haben, tatsächlich abwarten, „bis alles andere geregelt“ ist? Ich persönlich verstehe den Schluss des Evangeliums mit der Gewissheit, dass das Gute in der Welt das letzte Wort hat. Das Leuchten im Reich Gottes, der Lohn für die Gerechten, setzt einen Schlusspunkt unter alles vorher gewesene Schlechte. Das Gute setzt sich also am Ende durch und von dieser Hoffnung war auch Maria Magdalena erfüllt. Eine Hoffnung, die ich uns allen wünsche, egal ob Frauen oder Männern …

Schürrer: Das war ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für Ihre Gedanken, Ihre Predigt und Ihr Glaubenszeugnis.